Dr. Eduard Keller: Ein Nachruf

Er war jahrzehntelang der Motor unserer Gruppe, hat bis zuletzt regen Anteil an ihr genommen: Eduard "Edi" Keller, unser Gruppengründer, verstarb am 28. Oktober 2009 in seinem 98. Lebensjahr. Seine Bedeutung für die Gruppe Graz 11 St. Paul kann man kaum überschätzen. Als er 1928 von Alfred Pokorn motiviert, eine kleine Gruppe Gleichaltriger um sich schart und beginnt, die Ideen von Robert Baden-Powell umzusetzen, ahnt wohl keiner der Oberstufenschüler, dass daraus die größte Gruppe der Steiermark entstehen wird.
 
Unter seiner Führung wird aus dem kleinen Grüppchen, das 1928 in der Nähe des Stiftes Rein die Patrullen Käuze und Raben gründet, sehr schnell eine verschworene Gemeinschaft. "Edi" selbst wächst an der Aufgabe, wie er selbst einmal sagt. Um Zeit für die Pfadfinder zu gewinnen, strengt er sich in der Schule an. Schon hier zeigt sich ein Wesenszug, der Edi auszeichnet: Eine Konsequenz, die er von sich und anderen abverlangt. Und auch bekommt: Denn unübersehbar ist sein Charisma, das nicht nur Schulkollegen, sondern bald auch andere in seinen Bann ziehen wird. Edi absolviert rasch alle Ausbildungskurse, und schon 1933, mitten in der Wirtschaftskrise, fährt er bereits erstmals zum Jamboree.
 
Während er an der Universität studiert, konsolidiert er die Gruppe auf hohem Niveau. Doch 1938 findet alles ein jähes Ende, als es zum Anschluss an Nazi-Deutschland kommt. Viele Pfadfinder werden eingezogen, viele kehren nicht mehr zurück. Edi selbst, der im Krieg u. a. in Berlin lebt, lässt den Kontakt zu den Pfadfindern nicht abreißen, es kommt sogar zu heimlichen Gruppenversprechen.
 
Nach dem Krieg ist Edi Keller 33 Jahre alt; ein Neubeginn scheint unmöglich. Doch er lässt sich dazu überreden, die Gruppe neu zu gründen. Seine wichtigste Sorge: Die Gruppe benötigt ein eigenes Heim, um langfristig Bestand zu haben. Es ist kaum mehr zu ermessen, wie viel Energie und Zeit Edi in diesem Jahren dem Ziel widmet, der G 11 ein eigenes Haus zu sichern. Praktisch jeden spannt er ein - und doch führt er zugleich die Kinder- und Jugendarbeit zu neuen Höhen. Schon 1948 organisiert er das erste Auslandslager.

 

Edi Keller am Georgstag 1949.

 

Als Edi eine Familie gründet und auch als Mittelschulprofessor stark im Beruf verankert ist, wird es für ihn Zeit, die Gruppe in die Selbstständigkeit zu entlassen. Er geht beruflich nach Frankreich. Ihm gelingt das Kunststück, einerseits präsent zu bleiben, andererseits aber einer neuen Generation von Führern das Feld zu überlassen. Doch auf Jahre und Jahrzehnte hinaus wird Edi Keller zum Maßstab innerhalb der Gruppe und ein gern gesehener Gast.
 
Seiner Initiative sind auch die Jubiläumslager zu verdanken, die er 1978 zum 50-jährigen Jubiläum der Gruppe begründet. Mit unglaublichem persönlichen Einsatz sorgt er dafür, dass Altpfadfinder aus der ganzen Welt nach Moosburg kommen. Zehn Jahre später gibt er die "Chronik der Gruppe Graz 11, 1928-1938" heraus, eine spannende und überaus informative Zusammenfassung der Anfänge. Bis zuletzt hält Edi Keller Kontakt zur Gruppe und zu vielen Altpfadfindern, mit Besuchen im Heim begeistert er bis zuletzt auch die Jüngsten. Es ist selbstverständlich für ihn, am Jubiläumslager 2008 aktiv teilzunehmen, und erneut stellen viele verblüfft fest, wie selbstverständlich Edi Namen und Geschehnisse präsent hat.

 

Edi Keller zu Besuch beim Großen Kornettrat 2007 (Foto: M. Rathofer).

 

Dass es die Gruppe gibt, dass sie so ist, wie sie ist, und dass sie sich auch weiterhin ganz selbstverständlich den Herausforderungen der Zeit stellt, verdankt sie in hohem Maß ihrem Gründer Edi Keller. Keiner von jenen, die ihn erleben durften, konnte sich seiner Ausstrahlung entziehen, und jeder trägt ein Stück "Edi" in sich.
 
Edi Keller wurde unter großer Anteilnahme der Gruppe am 5. November 2009 in seiner Heimatgemeinde Eggersdorf bei Graz verabschiedet und begraben.
 
Norbert Swoboda